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Ilze Jece
Die Integration von körperbasiertem Lernen war ein pädagogischer Trend in den letzten Jahren. Wenig überraschend, eröffnet doch das Wieder-Erleben des Körpers in erfahrungsorientiertem Lernen erstaunliche Möglichkeiten für die Freude an Bewegung.
Körperbasiertes Lernen bedeutet, sich der inneren Prozesse bewusst während jeder körperlichen Aktivität zu werden, egal ob es sich um Töpfern oder Volleyball handelt. Durch Bewegung und Beobachtung bringt dieses Lernen Schlussfolgerungen darüber, wie es dir gerade geht, wie du dich fühlst und wie du mit dir selbst und anderen in Beziehung stehst oder über jedes anderes Thema. Es basiert auf der Idee, dass die Art und Weise, wie du dich in einer körperlichen Aktivität zeigst, Aufschlüsse darüber geben, kann wie du dich in anderen Bereichen deines Lebens zeigst. Wir leben in konditionierten Körpern geprägt von ihrem kulturellen Umfeld und daraus folgenden Überzeugungen. Unser Körper sind u.a. beeinflusst vom Ausmaß und von der Art der Bewegung, die wir jeden Tag machen, durch unsere Kleidung, Möbel, die wir regelmäßig nutzen, und nicht zuletzt Schönheitsstandards, die auf uns wirken. Körperbasiertes Lernen schafft ein Bewusstsein dafür, wie wir von all diesen Dingen beeinflusst werden können, und ermächtigt uns zu bewussten Entscheidungen für oder gegen etwas. Um mehr zu erfahren, schau dir an, welche Ansätze Wendy Palmer, Paul Linden und das Strozzi-Institut entwickelt haben, oder probier einfach selber verschiedenste Varianten des körperbasierten Lernens aus, um zu erleben, was diese dir über dich mitteilen können. Ganz nach dem Motto: "Wie wir eine Sache gemacht haben, machen wir alles."
Ich war kein sportliches Kind. In meinen ersten Lebensjahren fürchtete ich körperliche Aktivitäten, da ich oft dabei gesehen wurde, wie ich etwas versuchte und dabei scheiterte. Nach vielen peinlichen und entfremdenden Erfahrungen im Sportunterricht, habe ich ihn als Kind gemieden. Das hat sowohl meine Gesundheit, mein Selbstbild als auch den Bezug zu meinem Körper beeinflusst.
Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich später einmal meine Arbeitstage mit dem Unterrichten von Bewegungsklassen für Erwachsene verbringen werde. Ich denke hinter dieser Entscheidung war auch etwas Rebellion – einfach um Erfahrungen von körperlicher Bewegung zu ermöglichen, die mehr Inklusion, Freude und Verspieltheit mit sich bringen und Menschen zu bestärken anstatt sie auf ihre Unfähigkeiten zu reduzieren. Weiters habe ich Yoga und Acroyoga studiert und gelernt, durch die subtile Kunst der Berührungsmassage mit menschlichen Körpern in Beziehung zu treten.
Ein weiterer Grund, warum ich mich für diese Form von Körperarbeit zu interessieren begonnen habe, war meine eigene Unfähigkeit, Wohlbefinden in meinem Leben zu finden und die Beobachtung, dass viele Sozialarbeiter*innen unter Burn-out und widersprüchlichen Beziehungen zu sich selbst und anderen litten.
Ein paar Jahre nach Beginn der Praxis stellte ich mir folgende Frage: Wie kann ich einige dieser nützlichen Prinzipien in ein Lernen für sozialen Wandel einbringen? Eine Antwort war, mit einem Kollegen von mir am Konzept des körperbasierten Lernens zu arbeiten. Hier konnten wir experimentieren, wie man Meditation und praktische Körperarbeit mit pädagogischen Themen wie Führung, Friedensarbeit, Kreativität, Veränderung und so weiter verbinden kann. Und ich muss zugeben, dass diese Kurse zu den wirkungsvollsten gehören, weil sie etwas tiefer und jenseits unseres Denkens, unseres Seins ansetzen, indem wir die Art und Weise erforschen, wie wir uns auf unseren Körper beziehen. Zum Beispiel, wie wir die Körper anderer lesen und wahrnehmen, welche Grenzen und Schutzmauern wir setzen, um uns zu befähigen, durch dieses Leben zu gehen, oder welche tiefen Überzeugungen wir über uns selbst und die Welt, in der wir leben, haben und wie der Körper ein wunderbarer wahrer Freund ist, um Seinsarten und neue Wahrnehmungsweisen zu erforschen.
Und so gibt es viele Möglichkeiten, eine kraftvolle Arbeit mit dem Körper in das Feld des sozialen Wandels zu bringen. Im Jahr 2010, während der Arbeit mit einem Pilotprojekt mit Körperarbeit und Bewegung in einem Frauengefängnis, wurde ich Zeugin, wie viele der Insassinnen durch die Position der Kriegerin aus dem Yoga bestärkt wurden und gleichzeitig durch andere Körperarbeit sanfter wurden. Ich habe Veränderungen in ausgebrannten Wandel-Aktivist*innen gesehen, als diese nach einer dunklen Periode endlich wieder Licht erblickten – als sie nicht nur damit begannen, sich um ihr Wohlergehen zu kümmern, sondern dadurch auch effektiver wurden bei dem, was sie für die Welt tun. Ich habe so viele schöne Gesichter zu Tränen gerührt erlebt, nachdem sie auf eine Weise gesehen wurden, die ihre Grenzen respektiert und für ihr Wohlbefinden sorgt. Es ist eine wirklich kraftvolle Arbeit.
Mit der Kraft dieser Arbeit geht eine große Verantwortung einher. Körperbasiertes Lernen bringt Verwundbarkeit und erfordert daher einen sicheren Raum, in dem sich Menschen ausdrücken können und lernen so zu sein, wie sie sind. Daher müssen sich Facilitator*innen an einer starken Ethik orientieren, um jemandes Grenzen nicht zu überschreiten, egal ob sich die betreffende Person ihrer Grenzen bewusst ist oder nicht. Es geht darum, immer die Wahl zu anbieten, teilzunehmen oder sich zurückzuziehen.
Es ist an der Zeit, dass wir unsere Macht in Bezug auf unsere Körper zurückfordern und dass wir die Einzigen sind, die Entscheidungen bezüglich unseres Wohlbefindens treffen. Wenn es eine Lektion gibt, die ich durch körperbasierte Arbeit gelernt habe, so ist es, dass wir zuerst das Verlernen lernen müssen. Verlernen, dass wir nicht schön, fit, groß, klein, breit, genug sind usw. Zu wissen, dass unser Gehirn mit seiner Neuroplastizität eine erstaunliche Kapazität besitzt, sich zu verändern und zu transformieren. Nicht nur, um mehr Fähigkeiten lernen und Wissen erwerben zu können, sondern auch um eine andere Art und Weise zu lernen, uns selbst und die Welt, in der wir leben, zu sehen. Die Arbeit mit dem Körper könnte ein wirksames Instrument sein, um diesen Prozess des Wandels von innen nach außen in Gang zu bringen.
Wie haben deine Familie und deine Kultur deine Sicht auf deinen Körper geprägt?
Welche Urteile fällst du über dein Aussehen oder deine körperlichen Fähigkeiten?
Was sind deine bevorzugten körperlichen Praktiken und Übungen? Wie helfen diese dir, besser darin zu werden, Veränderungen in deinem Leben und in der Welt zu bewirken?
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