Wie bringe ich meine Gabe in die Welt?

Agi Berecz

Wie können wir unsere persönliche Nachhaltigkeit schaffen und zu einer größeren kollektiven Nachhaltigkeit beitragen, indem wir unsere besondere Gabe in die Welt bringen? Wie können wir unserem Herzen folgen? Wie können wir Gelegenheiten schaffen, bei denen wir bezahlt werden für das, was wir gerne tun?

Ich hatte vor, Interviews mit zwei mir bekannten Frauen zu führen und einen Artikel mit dem Titel "Frauen, die es wagen, ihre Gaben in die Welt zu bringen" zu schreiben. Beide Frauen hatten ihre gut bezahlten Jobs in der Geschäftswelt verlassen. Eine tat dies, um ein Öko-Festival zu organisieren und auf das Land zu ziehen, um ihren eigenen Selbstversorgungsbetrieb in Ungarn aufzubauen. Die andere Frau kaufte sich einen Wohnwagen und reiste durch das Vereinigte Königreich, um einen Film über eine alternative Zukunft zu machen – all das während sie mit ihrem ersten Kind schwanger war. Ich wandte mich mehrmals an beide für ein Interview, konnte aber keine von beiden erreichen. Jetzt, zwei Tage nach der Frist zum Einsenden dieses Artikels, muss ich über eine Frau schreiben, die es wagt ihre Leidenschaft in die Welt zu tragen...

Was ist es, was du wirklich in die Welt bringen möchtest?

Was ist es, dass du wirklich liebst?

Was ist es, dass dein Herz zum Singen bringt?

Arbeit ist LIEBE in Aktion

Ich bin als wirklich kreatives Kind aufgewachsen, einer dieser Freaks, die immer zwischendurch etwas entwerfen und eine ganze Heimwerker-Ausrüstung auf ihrem Schreibtisch hatten. Ich war am glücklichsten, wenn ich allein war und etwas erschaffen konnte: Malen, Zeichnen, Modedesign, Bildhauerei, Buchbinderei, Wollweberei, sich im Spiegelschreiben üben und bewusst unsinnige Gedichte verfassen. 

Ab meinem zwanzigsten Lebensjahr studierte ich Erwachsenenbildung und wurde von der Kultur des “lebenslangen Lernens” geprägt. Ich erfuhr, dass die Idee, ein und desselben Job ein Leben lang zu haben, vorbei ist; dass man in unserer modernen Zeit kontinuierlich lernen und seine Kompetenzen weiterentwickeln muss.

Mit 25 arbeitete ich bereits für ökologische gemeinnützige Organisationen, hatte einige Jahre Ausbildung in nicht-formaler Bildung durchlaufen, gründete und leitete ein Umweltbildungszentrum. Ich hatte eine Ausbildung zur Jugendbetreuerin absolviert und wollte gerade mit meiner Kundalini-Yoga-Lehrerausbildung beginnen, als ich mir des Persönlichkeitstyps “Scanner” bewusst wurde. Ich erkannte, dass ich einer von ihnen war. Scanner sind Menschen, die gerne alles erforschen, viele verschiedene Berufe ausprobieren und die sich weigern zu wählen. Ein weiser Mann riet mir, dass es in Ordnung sei, neue Dinge zu lernen, aber dass ich aufpassen müsste, dadurch nicht in meinem Glaubenssatz “…nicht genug zu sein” verfestigt werden würde. Er sagte: “Nutze alles, was du gelernt hast, als Zutaten und machen daraus eine schmackhafte Mahlzeit”.

Mit dreißig Jahren lebte ich in Cambridge und lernte die Kultur der intentionalen Gemeinschaften kennen, die Bewegung der Transition Towns und nahm an meinem ersten Workshop “The Work That Reconnects” (von Joanna Macy) teil. Die Eröffnungsfrage lautete: “Was bringt dein Herz zum Singen?“ Ich erinnerte mich an ein Wunschbild, das ich seit meiner Kindheit habe; dass, wenn sich das riesige Getriebe aller Berufe auf der Welt verändern ließ, jeder Gang sich so einfügt, dass alle Menschen die Arbeit tun können, die sie glücklich macht. Dann wäre die Welt ein anderer Ort! Wir brauchen nur das zu finden, was unser Herz zum Singen bringt, und dies legt den Schalthebel um.

Mit 35 Jahren arbeitete ich mit einer brillanten jungen Frau zusammen, die die Produktion eines Kartendecks mit dem Namen “The Unsticking Game” leitete. Es wurde entwickelt, um Menschen dabei zu helfen, ihren authentischen Beruf zu finden und ihnen Orientierung an einem Wendepunkt in ihrer Karriere zu geben. Ja, sie war eine weitere Frau, die es wagte, ihre Gabe in die Welt zu bringen, indem sie nun als integraler Coach arbeitet, um Menschen bei der Suche nach einer Lebensorientierung zu unterstützen.

Wir brauchen nur herauszufinden, was unser Herz zum Singen bringt und dies legt den Schalthebel um.

Ein weiterer Schritt auf dem Weg, ein längerer und nicht so glänzender, war, als ich im Jahr 2015 in einer zerbrechenden Beziehung meine zweite Tochter zur Welt brachte. Sie war erst sechs Monate alt, als ich in der Hoffnung, die Familie durch ein regelmäßiges Einkommen zusammenzuhalten, einen Job als Managerin annahm und auf die andere Seite des Landes zogen. Ich sollte ein neu eröffnetes Öko-Tourismus-Zentrum in einer ländlichen Umgebung in Südungarn leiten, während mein Mann Elternzeit nahm. Mein unmittelbarer Vorgesetzter versprach, dass ich freie Hand haben würde, um das zu tun, was auch immer ich für die Leitung des Zentrums für richtig hielt. Ich hatte ein neues, von der EU finanziertes Öko-Gebäude in einer schönen natürlichen Umgebung zu verwalten, aber… ich musste mich einfügen in ein traditionelles ländliches postkommunistisches hierarchisches Machtsystem. In diesem Dorf hatte niemand je von kooperativen Arbeitsweisen und Entscheidungsfindung gehört, von gemeinschaftlich durchgeführten Projekten oder offenen Kommunikationsmethoden, ganz zu schweigen von den vier Ebenen des Zuhörens oder der Gabe, einfach nur wirklich und vorurteilsfrei zuzuhören.

Das Management stellte zwei Kollegen ein, die ich betreuen sollte. Ich lud sie zu einem kollaborativen Designprozess zur Planung unserer Bildungsprogramme ein, aber nach einem vollen Tag moderierter Arbeit, an dem beide Kollegen immer noch unmotiviert herum saßen, fragten sie mich schließlich, warum ich ihnen nicht einfach sagte, was sie tun sollten und sie ihre Arbeit machen ließ? Später entwarf ich eine riesige Mindmap mit potentiellen Richtungen, Funktionen des Zentrums und klebte es an die Wand. Dies führte dazu, dass die Touristen mehr Fotos von meinem Plakat gemacht haben als von dem Ort selbst, aber meine Vorgesetzten oder meine Mitarbeiter hatten immer noch keine Klarheit, woher ich kam und welche Art von Arbeitskultur ich entwickeln wollte. Plötzlich war ich, genau wie in meinen frühen Schuljahren, wieder der Freak ohne passende Spielkameraden. Außerdem habe ich ein acht Monate altes Baby gestillt, das mich 6-8 Mal pro Nacht weckte und weshalb ich verzweifelt versuchte, während des Tages durchzuhalten. Mit Problemen  in der Arbeit an einer solch grundlegenden strukturellen Ebene konfrontiert zu werden, war zu viel und daher beschloss ich zu gehen. Es begann eine Periode des tiefen Kampfes und des Nicht-Wissens, allein ohne Einkommensquelle, auf der Suche wieder meine Füße auf den Boden zu bekommen. Ich hatte kein Interesse meine Gaben einzubringen, sondern nur den Wunsch Tag für Tag zu überleben. Doch zusammen mit vielen Entdeckungen auf meinem Weg als erneute Mutter, habe ich irgendwie geahnt, dass mir das alles wichtige Lernerfahrungen bringen würde.

Aus dieser Erfahrung, als ich spiralförmig aus dem Zentrum des Labyrinths hinausging, kam mir die Idee zu einem neuen Projekt: der Traum eines internationalen Unterstützungsnetzwerks für Mütter. Sofort erlebte ich die Kraft der Gemeinschaft, als meine Kollegin Lara mir direkt in die Augen schaute und antwortete: "Agi, du machst dieses Projekt, hundertprozentig!".

Ich bin immer damit gesegnet gewesen, interessante Freunde und Freundinnen zu haben. Am Allerheiligentag im Jahr 2016 wurde ich von Helena eingeladen, ein Labyrinth in Tschechien zu begehen. Die Anweisung lautete diesmal, während des Gehens nicht an mich, sondern an jemand anderen zu denken. Das war ein starker Anreiz. Aus dieser Erfahrung, speziell als ich spiralförmig aus dem Zentrum des Labyrinths hinausging, kam mir die Idee zu einem neuen Projekt: der Traum eines internationalen Unterstützungsnetzwerks für Mütter. Jetzt bin ich hier im Jahr 2019 und koordiniere ein internationales Projekt mit dem Ziel, Mütter in ihrer persönlichen Transformation, ihrem Naturbezug und ihrem Lebensweg neu auszurichten auf das, was wirklich für sie von Bedeutung ist. Wir arbeiten in einer wirklich kollaborativen Art und Weise, unter Verwendung soziokratischer Entscheidungsfindung, Gemeinschaftsarbeit, bauen echte Verbindungen und arbeiten an dem, was uns das Herz zuflüstert.

Kürzlich arbeitete ich in diesem Projekt und hatte einen AHA-Moment: es ist kein Problem, dass ich nur 80 Prozent in vielen Dingen geben kann, aber in keiner einzelnen Sache 100 Prozent. Daher kommt mein Bestreben, innerhalb einer Gemeinschaft zu arbeiten; ich brauche andere um zu sein, ich brauche andere um zu tun. Sofort erlebte ich die Kraft der Gemeinschaft, als meine Kollegin Lara mir direkt in die Augen schaute und antwortete: “Agi, du machst dieses Projekt, hundertprozentig!”

 

Wenn dich NICHTS aufhalten könnte, was wäre dein einzigartiger Beitrag zur Heilung unserer Welt?

Welche Ressourcen hast du bereits, um diese Gabe in die Welt zu bringen?

Wie würdest du dich selbst davon abhalten/sabotieren? Wie würdest du dies überwinden? Die Fragen basieren auf Joanna Macys Übungszielen und Ressourcen in "Coming Back to Life - Coming Back to Life - Praktiken, um unser Leben wieder mit unserer Welt zu verbinden"

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